Geschwister können anstrengend sein und man muss mit ihnen nicht immer einer Meinung sein. Aber nicht so bei Evelyn. Ich empfinde es schön, dass es sie gibt. Irgend wie habe ich das Gefühl sie ist ein Teil von mir, und ohne sie bin ich kein Ganzes.
Und wer mich ein wenig besser kennt, für den mag es eigenartig erscheinen, dass jemand mit so gering ausgeprägtem Familiensinn sich über die Tatsache einer Schwester freut. Evelyn Meeser, geborene Kostelecky, ist eigentlich meine 'Halbschwester'. Sie wurde in der ersten Ehe meines Vaters geboren und ist knapp zwölf Jahre älter als ich.
Schon als Kind und sehr zum Leidwesen meiner Mutter war ich von Evelyn angetan. Sie ist groß, hübsch und hat immer ein Lächeln auf ihren Lippen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, gefragt nach Geschwistern, habe ich voll Stolz auf meine in Kanada lebende Schwester hingewiesen. Nach Kanada ist Evelyn mit ihrer Mutter, warum auch immer, bereits in Jugendtagen ausgewandert. Hat dort ihren Mann kennen gelernt und zwei Kinder zur Welt gebracht. Sabine und Sebastian Meeser. Damit habe ich eine Nichte und auch einen Neffen. Oder anders gesagt, ich bin Onkel - zumindest ein 'halber'. Bedauerlicher Weise, habe ich zu den Beiden überhaupt keinen Kontakt. Liegt vermutlich auch an einer gewissen sprachlichen Barriere.
Ich sehe Evi selten. Fast nie. Zuletzt war sie 1995 in Wien . Ab und an telefonieren wir. Zu Geburtstagen, Weihnachten oder ähnlichen Festerln.
Anlässlich meines 50. Geburtstages hat sie mir einen langen, sehr persönlichen Brief geschrieben. Habe ihn voll Wehmut gelesen. Am liebsten hätte ich meine Zelte in Wien abgebrochen und wäre zu Ihr gefahren. Aber das ist aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich. Jedenfalls entbrannte in mir ein seelischer Konflikt, zwischen meiner Verantwortung zu Menschen die ich hier in Wien wahrzunehmen habe und dem Bedürfnis Zeit, die ja gerade auch nicht mehr groß bemessen sein kann, mit meiner Schwester zu verbringen.
So ist halt vieles für mich NICHT möglich, was für andere denkbar und selbstverständlich scheint. Aber vielleicht kommt doch noch der Tag an dem ich sie wiedersehe, mit ihr plaudern und noch viel Zeit verbringen kann. Denke sie fehlt mir manchmal doch sehr.